«Wer hätte das geahnt – urkomisch»

Kritik in der NZZ AM SONNTAG vom 22. 4. 2007

Genial oder banal, Querkopf oder Hohlkopf, dazwischen scheint es kein Urteil zu geben über den Schriftsteller Ludwig Hohl (1904-1980). Eine unverstellte Auseinandersetzung mit dessen Werk sei unmöglich, schrieb Hugo Loetscher. Die Frage ist, ob diese bei einem, der den frühromantischen Habitus des Einsseins von Kunst und Leben pflegte, überhaupt anstrebenswert ist. Umso überraschender, dass es der freie Theatergruppe kraut_produktion gelingt, in sechzig Minuten gleich viererlei zu vermitteln: einen Blick auf das Werk, auf die Person, auf die idolatrisierende sowie kritische Rezeption. Werk und Person vereint Thomas U. Hostettler in einem so verschrobenen wie energetischen, hinter dicken Brillengläsern sitzenden Geist, der die Lautstärken so unvermittelt wechselt, als hüpfe ein Vögelchen über den Regler am Schaltpult. Wie er über die «Idioten» von Anpassern schimpft, tautologisiert, Eigenes deklamiert, seinem Hundehass freien Lauf lässt, die Grossen der Musikgeschichte nachklimpert und neben die Tasten greift, ist – wer hätte das beim Lesen der «Notizen» geahnt – urkomisch. Roland Schmidt und Sandra Utzinger assistieren als bald umständlich kramende Nacheiferer, bald hölzerne TV-Reporter. Auch wenn der Abend oft ins Lächerlichmachen abzudriften droht, kommentiert immer wieder, beinahe verunsichert, Enttäuschung mitschwingend, Hohls Stimme: «Vielleicht aber auch nicht interessant zu wissen.» Auch so soll er gewesen sein.