«Ein seltener Genuss»

Unsexy und zu wenig Likes
Kraut Produktion und Hora zeigen «Human Resources»

Kritik in der NZZ

Die Künstler der freien Theaterszene zelebrieren derzeit das Verlierertum im Kampf um die Subventionen. Bald tun sie das mittels kleiner Exkurse, bald lassen sie die ganze Produktion um dieses Problem kreisen. Penetrante Selbstreflexion nervt – eigentlich. In seltenen, glücklichen Fällen stellt sie aber einen Genuss dar.

Das beweisen die Formation Kraut Produktion und das Behindertentheater Hora in ihrem «Gemeinschaftsdelirium» mit dem sprechenden Titel «Human Resources». Der Regisseur Michel Schröder mixt aus Pop- und Rocksongs von den Beach Boys bis zu Udo Jürgens eine melodramatische Compilation. Bisweilen sind die psychedelischen Bilder etwas unausgegoren, doch es gibt schöne Szenen, etwa, wenn der Regisseur und zwei Darsteller Fabienne Villiger einem Engel gleich über die Bühne tragen. Die Collage lässt sich als Hommage an den Menschen an sich betrachten, der weder sexy noch allgemeinverträglich ist. Die Darsteller nennen sich «Randständige», die in der Selektion der Facebook-Likes durchfallen. Sie sehen sich als theatrale Ausschussware des Humankapitals. Dazu passt, dass sie im Vorfeld Requisiten versteigern, um den Lohn der Hora-Mitglieder aufzubessern. Es sind Pappmaché-Bälle, die niemand braucht. Schröder setzt die Antihelden in dem Musical des subtilen Protests der Sinnlosigkeit aus, lässt sie Purzelbäume schlagen, tanzen, am Keyboard in die Tasten hauen. Sie persiflieren Casting-Shows, Dating-Sendungen, mimen Tele-Züri-Reporter, die gescheiterte Schauspielerexistenzen befragen, etwa Thomas U. Hostettler, der in einem fulminanten Auftritt von seiner Vergangenheit als Blut- und Fleischperformer in Bern erzählt. «Wir holten jeweils im Schlachthof literweise Blut.» Diese «echten, weil stinkenden» Zeiten sind passé. Resigniert zeigt er eine «vegane Schütte», Linsen rieseln über seinen mit einer transparenten Pelerine bedeckten Körper. Wir leiden gerne mit den Losern, mit dem verloren im Anzug herumstehenden Matthias Grandjean, mit der nackt einen Song ins Mikrofon kreischenden Sandra Utzinger, mit dem ungeschickt seine Liebe zur einstigen Fabriktheater-Leiterin gestehenden Nils Torpus. Erfrischend auch, dass die Nichtbehinderten der Kritik an den Hora-Stücken, dass die behinderten Darsteller blossgestellt würden, ein Schnippchen schlagen. Sie stehen bisweilen splitternackt vor einem oder entblössen sich seelisch.