«Der Tod und die melancholischen Freaks von der Limmat»

Kritik in der «Südostschweiz» zu «The Deconstruction of Death»

Wenn Thomas U. Hostettler im Kurzhosen-Schüleranzug die Bühne in der Zürcher Gessnerallee betritt und ins Publikum zwinkert, geht ein Raunen und Kichern durch die Reihen. Die Szene weiss: Der begnadete Extrem-Performer wird es nicht beim smart vorgetragenen Prolog belassen. Die Freundlichkeit ist Maske, denn es geht um nichts weniger als das Rätsel des Todes. Gibt es eine Seele, und wenn ja, wo?
Hostettler stellt klar, dass kein Trost zu erwarten ist. Die Jenseitsangebote der Weltreligionen widersprechen der Vernunft. Und überhaupt ist Unsterblichkeit nicht gut. Wir sind und bleiben Bio-Maschinen, die irgendwann den Geist aufgeben wie ein Computer oder Staubsauger. Angst und Verzweiflung helfen nicht. Trotzdem bleibt da ein Rest, etwas «Spaciges» in uns, das nicht zu fassen ist. Buuummmm! Genug der Worte. Hardcore in der Atelier-Ruine Punk-Trash haut aufs Trommelfell und leitet die performative Untersuchung des «alternativen Endes» ein. Duri Bischoff hat den Künstlern dafür die Ruine eines Ateliers, einen zerfallenden White-Cube hingestellt.
Hostettler lässt die Hüllen fallen und eröffnet irrlichternd den Reigen. Hieronymos Bosch und Paul McCarthy stehen Pate, wenn Kraut ihre unverwechselbare Mischung aus Körperverrenkungen und Köperflüssigkeiten, Hardcore-Sex und Picknick-Idylle, Bildersturm und Langeweile, Weisheit und Kalauer ausbreiten. Aus den Untiefen brechen geheimste Wünsche. Nele Jahnke wird zum Baum – oder sind das Geschwüre an ihren Beinen? Silvia Buonvicini verwandelt sich von einer Popgöre in eine staksige Kopffüsslerin und dann in einen sterbenden Schwan. Nils Torpus, von Hostettler durchgefickt, wachsen High Heels. Er aber sammelt brav seinen Hausrat ein, der ihn am Ende begräbt. Ilja Komarov ist das Maskottchen. Lächelnd versucht er Maske um Maske. Ihn beunruhigt vor allem, dass er eigentlich nur der Wirt von Milliarden Bakterien ist. Hostettler kalauert nahtlos von Bibeltext zu Wiener Schmäh. Seinem Sensemann sind am Ende die Sensen zu Krücken geworden. Er wird mit Puder und Windeln bestraft.
Roland Schmidts Videouniversum saugt vom Blumenfeld bis zur Entsorgung einer flüssig gewordenen Leiche den üppigen Metatext aus dem World WideWeb. Soundtracks von Nick Cave, Johnny Cash, Cello-Klavier-Sonaten und Barockklänge färben die Szene mit Melancholie.
Wie immer scheut Regisseur Michel Schröder das Spiel mit Überfülle und Leere nicht. Es bleiben verstörende Bilder – und die Einsicht, dass auch Extrem-Performances dem Thema kaum beikommen. Sie machen zwar Spass, aber Angst und Schmerz singen leisere Töne.